März 2020. Fast von heute auf morgen ist nicht nur das Arbeitsleben auf den Kopf gestellt. Ausgeh- und Kontaktsperren erfordern kreative Ansätze, um zumindest Bürojobs weiter ausüben zu können. Homeoffice ist das neue Schlagwort. Und plötzlich arbeitet (fast) ganz Deutschland von zu Hause aus. Wer Glück hat, kann dafür einen separaten Raum – vielleicht sogar ein Büro – nutzen. Die Meisten arbeiten allerdings im Wohnzimmer, in umfunktionierten Kinderzimmern, im Schlafzimmer oder in der Wohnküche.
Für Viele ist diese Arbeitsweise fremd, gewöhnungsbedürftig und belastend. Insbesondere, wenn parallel Kinder zu beschulen und zu bespaßen sind. Andere kämpfen mit der plötzlichen Einsamkeit und damit, dass sie sich nicht mehr auf kurzem Dienstweg mit den Kollegen austauschen können. Der Griff zum Telefonhörer oder das Schreiben einer E-Mail ist bereits eine erste Hürde.
Ich habe fast mein gesamtes Berufsleben in virtuellen Teams gearbeitet. Zu Beginn als Sachbearbeiterin, später als Managerin und heute als Selbstständige. Immer war ich im jeweiligen Land auf mich alleine gestellt, die Kollegen weltweit verstreut, also sogar in unterschiedlichen Zeitzonen.
Als Managerin war ich mehrere Jahre für die Region Europa, Naher Osten, Indien und Afrika zuständig. Mein Team war nicht nur über Länder, sondern über Kontinente verstreut. Und dennoch haben wir gemeinsam viele Projekte geplant, gestemmt und erfolgreich umgesetzt. Ich habe dir unten meine wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Zeit zusammengestellt.
Erkenntnis 1: sei präsent
Das gilt grundsätzlich nicht nur für virtuelle Teams. Für mich ist das eine der wesentlichen Führungseigenschaften. Du bist als Manager dafür da, dein Team zu unterstützen, ihm ein Sparringspartner zu sein und immer ein offenes Ohr zu haben.
Jetzt fragst du dich wahrscheinlich, wie du präsent sein kannst, wenn dein Team im Homeoffice oder an einem anderen Standort arbeitet. Prinzipiell ist das völlig egal. Deine Mitarbeiter müssen wissen, dass sie dich erreichen können. Lege mit ihnen fest, wie du erreicht werden möchtest und zu welchen Zeiten. Können sie dich anrufen? Rufst du zurück, wenn du einmal nicht ans Telefon gehen kannst? Oder bevorzugst du, dass sie dir eine kurze E-Mail oder WhatsApp schicken?
Präsent sein bedeutet nicht, dass du immer und zu jeder Zeit erreichbar sein musst. Deine Mitarbeiter müssen lediglich wissen, wie und wann sie mit dir sprechen können. Lege Zeiträume fest, in denen du ungestört bleiben möchtest, damit du trotz Erreichbarkeit auch produktiv sein kannst. Damit deine Mitarbeiter diese Zeiten kennen, kannst du beispielsweise deinen Kalender freigeben und Zeiten blocken.
Erkenntnis 2: Vereinbare regelmäßige Vier-Augen-Gespräche (neudeutsch: 1-on-1s)
Oft sitzen Mitarbeiter in virtuellen Teams alleine im Homeoffice oder an anderen Standorten mit anderen Abteilungen. Direkter Austausch vor Ort zu fachlichen Themen ist für sie oft schwierig oder unmöglich.
Deswegen solltest du regelmäßig – mindestens einmal wöchentlich – 1-on-1s mit jedem einzelnen deiner Mitarbeiter vereinbaren. Diese Termine sind fix und werden nur in absoluten Ausnahmefällen verschoben.
Deine wichtigste Aufgabe an diesen Terminen: zuhören. Lass deinen Mitarbeiter über seine Projekte berichten, seinen Arbeitsalltag und was ihm oder ihr sonst auf dem Herzen liegt. Greife nur ein, wenn dein Mitarbeiter eine falsche Richtung einschlägt oder etwas nicht verstanden hat. Biete deinen Rat oder Lösungen nur an, wenn du darum gebeten wirst. Bei diesen Gesprächen ist mir oft aufgefallen, dass meine Mitarbeiter bereits im Gespräch das Problem selbst lösen konnten. Darüber zu reden, regt einen regelrechten Problemlösungsprozess an.
Erkenntnis 3: Vereinbare regelmäßige Teammeetings
Genauso wichtig wie die Einzelgespräche mit jedem deiner Mitarbeiter sind Teammeetings. Idealerweise finden diese Meetings viermal, mindestens jedoch zweimal jährlich statt. Und es sind Präsenzmeetings, d. h. du triffst dich mit deinem Team an einem Standort. Deine Teammitglieder lernen sich besser kennen und die Teamarbeit wird gefördert. Kreative Prozesse lassen sich so auch einfacher anstoßen und durchführen.
Wenn Präsenzmeetings nicht regelmäßig möglich sind – sei es aufgrund der geographischen Verteilung oder des momentanen Kontaktverbots – sind Videokonferenzen eine gute Alternative. Diese solltest du sowieso regelmäßig zwischen die Präsenzmeetings einbauen. Die Kollegen können sich sehen und wichtige Themen und Projekte können diskutiert werden. Wie du Meetings effizient durchführst, beschreibe ich hier.
Erkenntnis 4: Vertraue deinen Mitarbeiter
Es gibt nichts Schlimmeres als einen Chef, der seinen Mitarbeitern nicht traut. So nach dem Motto „Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse.“ Dieses Misstrauen gilt sicherlich weniger in Unternehmen, in denen virtuelles Arbeiten zum Alltag gehört.
„Der Kollege schaut doch sowieso nur YouTube-Videos oder kümmert sich um seinen Haushalt.“ So oder so ähnlich lauteten die Kommentare bei einem meiner Management-Besprechungen, als es um die Einführung des Homeoffice ging. Eine antiquierte Ansichtsweise, wie ich finde.
Wer ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zu seinen Mitarbeitern pflegt, braucht nicht zu befürchten, dass er von seinen Mitarbeitern „hintergangen“ wird. Mitnichten. Du kannst davon ausgehen, dass Produktivität und Effizienz steigen, selbst wenn zwischendurch die Wäsche aufgehängt wird.
Erkenntnis 5: Sei Coach, nicht Kontrolleur
Es gibt unterschiedliche Gründe, weshalb Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten: ein kleines Unternehmen arbeitet ausschließlich mit Freiberuflern; Vertriebs-Mitarbeiter, die hauptsächlich bei Kunden vor Ort sind, ein eigenes Büro am Firmensitz lohnt sich deswegen nicht oder ist viel zu weit entfernt; diese Menschen haben in der Regel zu Hause ein eigenes Büro und sind es gewohnt, in den eigenen vier Wänden produktiv zu arbeiten.
Dann gibt es allerdings Menschen, die von heute auf morgen plötzlich nicht mehr ins Büro fahren und von zu Hause arbeiten, weil beispielsweise das Coronavirus soziale Distanz erfordert. Diese Menschen haben nicht immer ein eigenes Büro, geschweige denn ein ruhiges Plätzchen, an dem effizient und produktiv gearbeitet werden kann. Plötzlich sitzen sie nicht mehr im Großraumbüro mit 20 anderen Kollegen, können sich nicht mehr beim gemeinsamen Mittagessen mit Kollegen der anderen Bereiche austauschen oder bei einer Tasse Kaffee mit dem Lieblingskollegen brainstormen.
Damit sich diese Kollegen nicht verloren fühlen oder sogar ausbrennen, ist deine Präsenz mehr denn je gefragt:
- Telefoniere täglich mit deinen Mitarbeitern und sei es nur, um kurz zu checken, ob alles in Ordnung ist. Gib ihnen auf keinen Fall das Gefühl, dass du kontrollieren möchtest. Hier geht es darum, dass du dich um deine Mitarbeiter sorgst und ihnen helfen möchtest.
- Ermutige sie dazu, regelmäßig Pausen zu machen und nicht ununterbrochen hinter dem PC oder Laptop zu sitzen. Ideal sind zehn Minuten alle 60 bis 90 Minuten. In dieser Zeit dürfen dann gerne die Geschirrspülmaschine ausgeräumt oder die Blumen gegossen werden. Hauptsache weg vom PC.
- Führe mit deinem Team einen täglichen Call ein, bei dem nicht über die Arbeit gesprochen wird. Das kann morgens ein Cappuccino-Gespräch sein oder der Kaffeeklatsch am Nachmittag. Sprecht über Möglichkeiten, wie ihr euch trotz Corona fit haltet, welche Bücher oder Serien ihr empfehlen könnt.
- Stelle sicher, dass dein Team abends das Laptop/den PC ausstellt und nicht versucht ist, auch kurz vor dem Schlafengehen nochmals schnell E-Mails zu checken. Zu Hause können die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben schnell verschwimmen und es besteht die Gefahr, dass Mitarbeiter über kurz oder lang ausbrennen.
Fazit
Das Führen virtueller Teams ist in unserer digitalen Zeit einfacher als je zuvor. Videokonferenzen können räumliche Distanzen verringern. Trotzdem ist nicht jede Führungskraft dazu geeignet. Konservative Denkmuster oder mangelndes Vertrauen in die Mitarbeiter machen diese moderne Arbeitsweise fast unmöglich. Noch besteht in Deutschland auf diesem Gebiet großer Nachholbedarf. Aber ich bin der Überzeugung, wenn wir die Coronakrise überwunden haben, beginnt auch hier ein neues Zeitalter, in dem Vieles möglich sein wird, das vor Tagen noch undenkbar war.
Wie läuft das in deinem Unternehmen? Findet bereits ein Umdenken statt? Berichte mir von deinen Erfahrungen, ich bin gespannt.
Kennst du diese kostenlose Checkliste schon?